Kapitalismus und Überbevölkerung? “Was die Zukunft anbelangt, so glauben wir, dass die gedankenlose Vermehrung nicht immer andauern wird und dass die Einteilung der Menschen in Kapitalisten und gemietete Arbeiter ebenso aufhören wird.”
Harriet Taylor Mill aus Hagengruber, R. 1998: Klassische philosophische Texte von Frauen. München: dtv, S. 153.
Dass diejenigen, welche physisch schwächer sind, sich auch im Zustande rechtlicher Inferiorität befinden, entspricht ganz dem Geist, in dem die Welt regiert worden ist. Bis vor ganz kurzer Zeit war die Herrschaft der physischen Kraft das allgemeine Gesetz der Menschheit. Durch die ganze historische Zeit haben die Nationen, Rassen oder Klassen, welche durch Muskelkraft, durch Reichtum oder durch militärische Schulung die stärksten waren, die übrigen unterworfen und in Untertänigkeit erhalten. Wenn bei den fortgeschrittensten Völkern das Gesetz des Schwertes endlich als unwürdig verworfen wurde, so ist dies nur die Frucht des viel verleumdeten achtzehnten Jahrhunderts. Die Eroberungskriege haben erst aufgehört, seitdem die demokratischen Revolutionen begonnen haben. Die Welt ist noch sehr jung und hat eben erst angefangen, sich von der Ungerechtigkeit freizumachen. Sie entledigt sich erst jetzt der Sklaverei der Neger, sie entledigt sich erst jetzt des Despotismus der Alleinherrscher, sie entledigt sich erst jetzt des erblichen Feudaladels, sie entledigt sich erst jetzt der Rechtsungleichheit aufgrund der Religionsverschiedenheit. Sie beginnt eben erst, irgendwelche Männer außer den Reichen und einen begünstigten Teil der Mittelklasse als Bürger zu behandeln. Dürfen wir uns wundern, dass sie für die Frauen noch nicht soviel getan hat?
Aus: John Stuart Mill, Harriet Taylor Mill, Helen Taylor: Die Hörigkeit der Frau. Texte zur Frauenemanzipation. Frankfurt: Syndikat 1976. S.81
Harriet Taylor Mill kritisiert, dass das Verständnis, was mit “Arbeit” bezeichnet wird, offenbar von Meinungen und Willkür abhängig ist. Vor allem die Beiträge, Tätigkeiten und Anstrengungen der Frauen werden in diesem Verständnis ein- oder eben ausgeblendet. Betroffen hiervon sind die unterschiedlichen Definitionen von “Arbeit” in der Politischen Ökonomie des 19. Jahrhunderts sowie die ökonomischen Lehrbücher heute.
Harriet Taylor Mill spricht damit Fragen der Geschlechtergerechtigkeit an, welche durch die Frauenrechtsbewegung des 19. Jahrhunderts – neben Forderungen der politischen Repräsentation und Partizipation – ebenso als ökonomisches Problem begriffen wurden.
“Alle, die das Alter der Selbstständigkeit erreicht haben, haben das gleiche Recht, jede Art von nützlicher Arbeit, der sie fähig sind, zum Preis, den sie einträgt zu verkaufen.” (John Stuart Mill, Harriet Taylor Mill, Helen Taylor: Die Hörigkeit der Frau. Texte zur Frauenemanzipation. Frankfurt: Syndikat 1976. S.81)
Der standardmäßige Einwand zu Zeiten Harriet Taylor Mills lässt sich in zwei Aspekten darstellen:
Dem Einwand entgegnet Harriet Taylor Mill, dass, obgleich das Gesamteinkommen unverändert bliebe, die Frau , welche “zur Erhaltung der Familie wesentlich beiträgt”, nicht in Gänze vom Mann abhänge, wodurch ihr eine bessere Behandlung zukomme. (Ebd.)
AutorIn: Maike Cara Hellmich (Studentin)
Lehrveranstaltung: “Die Geschichte der Philosophinnen Teil V: Harriet Taylor Mill, Charlotte Perkins Gilman, Simone Weil, Ayn Rand”
Datum: 10.05.2020
Im Aufsatz „Über Frauenemanzipation“ von Harriet TAYLOR MILL, welcher 1976 von Hannelore SCHRÖDER veröffentlich wurde im Werk „Die Hörigkeit der Frau und andere Schriften zu Frauenemanzipation“ herausgegeben, ist Fähigkeit ein zentraler Begriff. Unter dem Begriff Fähigkeit versteht TAYLOR MILL u.a. den freiheitlichen Erwerb von Nützlichkeit als Mensch für die Gesellschaft. Fähigkeiten sind erwerbbare Vorteile, die durch freie Teilhabe an der Gesellschaft erweitert und nutzbar gemacht werden. [1] Wenn die Freiheit dazu nicht gegeben ist, ist ein Mensch nicht dazu in der Lage sein volles Potenzial zu erreichen und somit auch keine Nützlichkeit für die Gesellschaft zu erreichen. [2] TAYLOR MILL versteht unter dem Begriff der Fähigkeit also den Grad der Nützlichkeit der an der Gesellschaft teilhabenden Menschen. Das heißt, je zugänglicher die Ausbildung der Fähigkeiten ist, desto höher ist die potenzielle Nützlichkeit des Einzelnen. Daher ist eine freiheitliche gesellschaftliche Teilhabe für alle notwendig, um den bestmöglichen Zustand einer Gesellschaft herzustellen. Denn nur, wenn jeder seine Fähigkeiten ausbauen kann, ist dies möglich [3].
[1] Taylor Mill, Harriet: Über Frauenemanzipation. In: Schröder, Hannelore u.a. (hrsg.): Die Hörigkeit der Frau und andere Schriften zu Frauenemanzipation. Frankfurt a.M. 1976. S.75.
[2] Ebd. S.83.
[3] Ebd. S. 91.
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