#Mensch_Maschine_Musse Seminar: Was steckt hinter TikTok-Trends und warum sind Konzept der K.I. ein integraler Bestandteil des alltäglichen Lebens? von Konstantina Papaevangelou

Ruth Hagengruber Seminar Winter 22_23 Mensch_Maschine_Musse:

Was steckt hinter TikTok-Trends und warum sind Konzept der K.I. ein integraler Bestandteil des alltäglichen Lebens? von Konstantina Papaevangelou

Ob beim Entsperren des Mobiltelefons mit der Gesichtserkennungstechnologie, dem Einsatz des Staubsaugroboters zuhause, eine Aufforderung an Alexa oder beim Ausprobieren der neusten Filter auf sozialen Medien – überall vereinfacht und vergnügt uns die künstliche Intelligenz den bzw. im Alltag. Heutzutage benutzt über die Hälfte der Weltbevölkerung soziale Medien, wodurch Milliarden Menschen täglich Facebook, Instagram, TikTok, Twitter etc. nutzen (vgl. DataReportal 2022). Es ist ein alltägliches Ritual geworden, eigene Aktivitäten und Gedanken in der Story zu posten, sich Storys von Anderen anzuschauen und durch die „For-You“-Page zu stöbern. Dabei wird oft vergessen,was hinter sozialen Medien steckt: Künstliche Intelligenz. Sowohl bei der Analyse unseres Konsumverhaltens, um Inhalte für die „For-You“-page zu generieren, als auch bei der Nutzung von Filtern werden maschinelle Systeme genutzt. Die Filter, die unsere Haut makellos erscheinen lassen oder uns zeigen, wie wir mit einer anderen Haarfarbe aussehen, sind ebenfalls von maschinellem Lernen respektive der KI hergestellt. Wer regelmäßig die Plattform TikTok besucht, wird dabei auch auf einen neuen Trend gestoßen sein: den AI2-Trend. Auf der App Lensa wird ein ausgewähltes Bild oder Selfie hochgeladen und dieses wird dann in ein Kunstwerk verwandelt. Dabei verwandelt sich das „realistische“ Gesicht des Individuums zu einem Gemälde, einer Manga- oder Comicfigur sowie Ähnlichem. Diese Features werden als selbstverständlich wahrgenommen, sodass oft vergessen wird, was hinter einem „simplen“ Filter steckt. Also was ist diese KI, die dies ermöglicht? Was für Konzepte stecken dahinter? Können diese Art der maschinellen Systeme als kreativ bezeichnet werden, weil sie unsere Bilder zu Kunstwerken verwandeln?Beeinflussen diese unsere Lebenswelt doch mehr, als wir es erwarten würden?

Was ist künstliche Intelligenz?

In der Literatur sind diverse und komplexe Definitionen vorzufinden; am einfachsten lässt sich KI als Teilbereich der Informatik beschreiben (vgl. Rosengrün 2021, 18). Maschinen bzw. Computer ahmen dabei menschliches Denken und Handeln nach: „the science of making machines do things that would require intelligence if done by men“ (Minsky 1968, preface). Sie bestehen aus Algorithmen (vgl. Rosengrün, 2021, 21). „Ein Algorithmus ist eine Handlungsanweisung beziehungsweise ein Verfahren zur Lösung eines Problems“ (ebd.). Metaphorisch kann ein Algorithmus als Kochrezept beschrieben werden, in dem der Computer die einzelnen Schritte vorgegeben bekommt, um ein „Gericht“ zuzubereiten (vgl. ebd., 22). Außerdem wird zwischen starker und schwacher KI unterschieden (vgl. ebd., 19). Kurz erklärt simulieren schwache KIs das Denken während starke KIs in der Lage sind tatsächlich zu denken (vgl. ebd.). Die KI, von der wir in der Regel sprechen, ist die schwache KI. Nun stellt sich die Frage: Wie kann ein Computer das Wissen der Menschen nachahmen, obwohl wir Menschen die Erfahrungen sammeln?

Welche Rolle Konzepte spielen

Wir werden kontinuierlich mit neuen Situationen konfrontiert und begegnen neuen Objekten sowie Individuen. Diese Informationen müssen jedes Mal verarbeitet werden. Dies geschieht problemlos, da wir sie in bereits vorhandene Muster und Konzepte unseres Gedächtnisses einordnen können (vgl. Pauen & Träuble 2007, 378 f.). Was wäre aber, wenn wir diese Konzepte nicht hätten? Folglich müsste das Individuum versuchen, jeden Reiz und jede Situation neu einzuordnen (vgl. ebd.). An dieser Stelle wird die Relevanz von Konzepten deutlich (vgl. ebd.). Konzepte vereinfachen den Alltag, da nicht jede Situation und jeder Reiz, mit dem wir im alltäglichen Leben konfrontiert werden, als fremd wahrgenommen werden. Konzepte ermöglichen einen automatisierten Prozess (vgl. ebd.). Ein Gedankenexperiment zur Verdeutlichung: Beim Betreten eines Supermarktes begegnet das Individuum einer Frau. Vorhandene Konzepte in seinen Denkmustern erleichtern ihm das Klassifizieren bzw. Einordnen als Frau. Stellen wir uns aber vor, das Individuum wüsste nicht, was eine Frau ist. Es würde stehen bleiben und über das unbekannte Objekt reflektieren. Bei der Vorstellung jedem Objekt oder jeder Situation als fremd und somit als etwas Neuem zu begegnen, wird die Wichtigkeit des Bildens sowie des Vorhandenseins von Konzepten deutlich. Dies vermeidet die geistige Überlastung, dem das Individuum ausgesetzt ist, da es über jede Situation nachdenken müsste.

In der Psychologie werden Konzepte als Abstraktionen definiert, die sich auf Ideen, Objekte oder Aktionen beziehen (vgl. Pereira 2007, 47). Diese können dynamische Einheiten sein, die sich mit der Zeit, der Person oder dem Kontext ändern (vgl. ebd.). So verändert sich das Konzept eines Computers oder einer Spielkonsole mit fortschreitender Technologie bzw. mit der Zeit (vgl. ebd.). Auch Personen können ein Konzept beeinflussen, indem sie eine Vogelspinne oder eine Anakonda als Haustier halten oder in Kontrast dazu als Wildtier ansehen (vgl. ebd.). Der Kontext beeinflusst insofern, als dass „the concept of ‚giant‘ will differ radically when comparing an ‚elephant‘ with a ‚human‘ and
with a dinosaur‘“ (ebd.). Eine Ausnahme bildet die Wissenschaft (vgl. ebd.). Konzepte sind in dieser Hinsicht „formal“ (ebd.) und „static“ (ebd.). Dies lässt sich am Beispiel beim Konzept der Primzahlen erkennen, da sich dieses nicht ändert (vgl. ebd.).

Wie werden Konzepte im Gehirn repräsentiert?

Neben den bereits ausgeführten Beispielen von sozialen Medien treffen wir auch im Alltag bei viel simpleren Tätigkeiten auf Konzepte – aber wie machen wir uns diese in der Wahrnehmung bewusst? „Concepts are represented in mind by [‚idealized‘] prototypes, which has the ‚average‘ characteristics of a concept“ (Pereira 2007, 47). Einen „typischen“ Vogel können wir also leicht identifizieren, weil wir den Prototypen eines Vogels kennen. Zu diesem gehören Charakteristika wie zwei Flügel, Federn und die Eigenschaft fliegen zu können (vgl. ebd.). Durch die Bildung von Konzepten wird uns im Alltag, durch die sogenannte Prototype view von Rosch (1975), das Einordnen in Strukturen erleichtert. Neben dem „idealized“ (ebd.) Prototyp wird zusätzlich von einem „paradigmatic“ prototype gesprochen, wenn ein ausgesuchter Prototyp eine Kategorie repräsentiert (vgl. ebd.). So repräsentiert eine Kaffeetasse Tassen im Allgemeinen (vgl. ebd.). An dieser Stelle ist es relevant zu erwähnen, dass die Repräsentation von Konzepten durch Prototypen auch problematisch betrachtet werden muss, denn Konzepte sind nicht notwendig statische Einheiten, die durch eine Reihe von Eigenschaften definiert werden (vgl. ebd.). In der Literatur werden weitere Ansichten vertreten, wie die „exemplar view“ (ebd.) oder „theory view“ (ebd.). Im Rahmen dieses Blogeintrags wurde Bezug zur Prototype view von Rosch aufgenommen, weil diese im Kontext mit „systems that represent concepts as attribute value sets“ (ebd., 48) vertreten wird.

Was haben Konzepte nun mit der AI zu tun?

„In forming a concept, the subject must focus on the relevant features and ignore those that are irrelevant” (Pereira 2007, 49). Dieser Prozess wird bei Instagram-Filtern von der KI übernommen. Es werden Systeme entwickelt, die auf genau definierte Ziele ausgerichtet sind (im vorliegenden Fall die Gesichtserkennung) (vgl. ebd., 50). Bei Filtern oder dem angesprochenen TikTok-Trend, bei dem mithilfe von KI aus einem Selfie ein Kunstwerk erschaffen wird, wird ein „künstliches neuronales Netz zur Mustererkennung“ (ebd.) eingesetzt. Künstliche neuronale Netzwerke imitieren die Funktionsweise von Nervenzellen, indem sie die Übertragungen von Informationen „über gewichtete Verbindungen zwischen einzelnen Neuronen“ (vgl. Dörn 2018, 88) veranlassen. Entscheidend ist dabei, dass das Netz eine große Trainingsdatenbank haben muss und durch diese „auf ein spezielles Verhalten trainiert“ (ebd., 89) wird. Schlussfolgernd kann die KI in diesem Fall also nur mit bereits etablierten Konzepten der Trainingsdaten arbeiten.

KI – kreativ oder doch bloß Nachahmung?

Auf den ersten Blick erscheint uns die künstliche Intelligenz als besonders kreativ. Sie schafft es, aus einem Selfie ein neues – zwar ähnliches – aber dennoch völlig unterschiedliches Bild zu konstruieren. Interessanterweise wird dies von Pereira als nicht-kreativer Akt deklariert. Er erklärt, dass das Ziel von maschinellen Lernsystemen das Formen von Konzepten ist (vgl. 2007, 49). Wenn allerdings keine neuen Konzepte geformt werden, wie es bei Artificial Neural Network der Fall ist, kann nicht von kreativen Systemen gesprochen werden (vgl. ebd.). Diese Annahme kann auch mit Kritik an dem KI-Trend gestützt werden, da die maschinellen Systeme Portraits und Gemälde von anderen Künstlern verwenden und sie auf das hochgeladene Selfie anpasst. Es könnte ebenfalls kritisiert werden, dass die KI die Gefahr birgt, Kunst und Kultur zu ersetzen. Damit stände die KI in Konkurrenz mit der menschlichen Kreativität.

Inwiefern beeinflussen uns Konzepte in unserer Lebenswelt?

Bereits in der Einleitung wurde deutlich, dass KI ein fester Bestandteil unseres Alltags und somit Teil unserer Lebenswelt ist. Konzepte entwickeln sich mit unseren Erfahrungen und so wird „Unbekanntes zu Vertrautem“ (Pauen & Träuble 2007, 378). Sie erlauben uns in einem Zimmer ohne großartige kognitive Belastung einen Schrank oder einen Tisch als solchen zu identifizieren (vgl. ebd.). Dementsprechend wirken sich die von uns entwickelten Konzepte auf die subjektive Wahrnehmung und das Denken aus. Insofern beeinflussen sie auch die individuelle Lebenswelt. Weiterhin wurde der Zusammenhang zwischen Konzepten und der KI dargelegt. Dadurch wird auch deutlich, wie auch Konzepte in der KI täglich unser Leben beeinflussen. Es wurden bereits die Filter angesprochen, die das Gesicht verändern. Nicht nur wie im beschriebenen KI-Trend, sondern auch bei Veränderungen der Gesichtscharakteristika. So ermöglichen die Filter den westlichen Schönheitsidealen entsprechen zu können, indem eine schmale Nase, volle Lippen oder hervorstehende Wangenknochen gegeben werden. Diese Filter sind nur aufgrund von Konzepten möglich und beeinflussen weiterhin das Schönheitsbild der Gesellschaft und das Selbstbewusstsein. Dies ist aber nur möglich, weil die Gesellschaft das neue Konzept akzeptiert.

Literaturverzeichnis
Datareportal (2022): Anzahl der Social-Media-Nutzer weltweit in den Jahren 2012 bis 2022 (in Milliarden), [online] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/739881/umfrage/monatlich-aktive-social-media-nutzer-weltweit/[22.12.2022].

Dörn, Sebastian (2018): Programmieren für Ingenieure und Naturwissenschaftler. Intelligente Algorithmen und digitale Technologien, Berlin: Springer.

Minsky, Marvin (1986): Semantic Information Processing, The MIT Press (Hrsg.) The Massachusetts Institute of Technology.

Pauen, Sabrina & Träuble, Birgit (2006): Kategorisierung und Konzeptbildung, in: Enzyklopädie der Psychologie. Kognitive Entwicklung. Entwicklungspsychologie,Göttingen: Hogrefe Verlag, S. 377-407.

Pereira, Câmara Francisco (2007): Creativity and Artificial Intelligence. A Conceptual Blending Approach (Applications of Cognitive Linguistics [Acl]), 1. Aufl., Berlin:de Gruyter Mouton.

Rosengrün, Sebastian (2021): Künstliche Intelligenz zur Einführung, Hamburg: JuniusVerlag

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