Nach langem Warten und vielen Verschiebungen aufgrund der Pandemie, hat es nun endlich doch geklappt: Dr. Gaudiano verwirklicht ihr Forschungsvorhaben in Paderborn. „Manchmal muss man eben hartnäckig sein“, sagt Gaudiano, „lesen und schreiben kann ich auch zu Hause, aber den Austausch und die Texte, habe ich am Center for the History of Women Philosophers and Scientists in Paderborn.
Es geht Gaudiano um ein sensibles Thema: Sie will die Beziehung zwischen Mann und Frau analysieren. Dabei geht es ihr nicht, um die Stärkung von Frauenrechten als solches. „Es geht mir darum, die Stellung des Mannes und der Frau besser zu ergründen“ sagt Gaudiano, „nicht zuletzt geht es dabei auch um ein besseres ethisches und gemeinschaftliches Zusammensein.“ Für ihre Forschung verwendet sie die phänomenologische Methode, auf die sie spezialisiert ist. Ausgehend von einer Phänomenologie des Leibes und einer Leiberfahrung, in Anbetracht des alten Leib-Seele Problems bis hin zu den Gender Theorien, will sie schließlich einen Beitrag zur philosophischen Anthropologie leisten, die nicht mal den mystischen Blick auf die Fragestellung auslässt. Eine wichtige Autorin ist für Gaudiano hier Edith Stein. „Manche Aussagen Steins können für Feministinnen schon abstoßend sein“, lacht Gaudiano, „aber ich kann mich mit vielen ihrer phänomenologischen Beschreibungen dennoch identifizieren.“ Sie erklärt: „Stein sagt, dass Frauen einen weiteren Blick haben und darauf achten, was noch alles zu einer Thematik gehört. Männer haben einen punktuelleren Blick und können alles, was nicht zu diesem Punkt gehört ausblenden. Das erfahre ich im Alltag mit meinen Kolleginnen und Kollegen oft genauso.“ „Edith Stein schätzt Männer in einem manchmal erstaunlichen Ausmaß, wenn man bedenkt, dass die patriarchalischen Umstände ihr nicht einmal erlaubt haben zu habilitieren“, erläutert Gaudiano. Auch wenn Gaudiano in einigen Punkten nicht mit Stein einig ist (z.B. in dem allzu harmonischen und stillen Bild der Frau) findet sie sich im Steinschen einheitlichen Bilde des Menschen wieder: es geht Gaudiano nicht um die Stärkung eines Geschlechts über dem anderen, es geht ihr um das Gemeinsame in und durch die Anerkennung und Wertschätzung der Unterschiede. „Es geht mir um eine anthropologische Frage“, sagt Gaudiano, „aus der Gemeinsamkeit und Einheit des Menschen erwachsen Unterschiede und es sind diese Unterschiede, die bedeutend sind.“ „Männer haben Stärken und Schwächen und Frauen haben Stärken und Schwächen – darauf bauen wir, indem wir die Würde des anderen erkennen und schätzen lernen“, erklärt Gaudiano. Auf die Frage, ob ein phänomenal Beschriebenes Männer- und Frauenbild nicht auch ausgrenzend oder stigmatisierend sein kann, antwortet Gaudiano: „Es ist ein sehr sensibles Thema. Ich bin mir dessen bewusst und jeden Tag frage ich mich, warum ich dieses Thema behandle. Die Wirklichkeit hat mich motiviert und der Wunsch zu einer Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern beizutragen, indem wir das männliche und das weibliche im Menschen verstehen. Aber man kann bestimmt nicht allen und allem darin gerecht werden, zumal die Unterschiede nicht allein im Geschlechtlichen bestehen, sondern allgemein unter den einzelnen Menschen!“ In Paderborn geht es Gaudiano darum, mit Prof. Dr. Hagengruber und ihrem Team einen offenen Austausch zu pflegen und ihren Blick zu weiten. Bei der Textrecherche im Archiv des Centers for the History of Women Philosophers and Scientists ist ihr so bereits eine weitere interessante Phänomenologin, Hedwig Conrad Martius, für ihr Thema ins Auge gefallen. Zuletzt betont die Wissenschaftlerin: „In einer patriarchal dominierten Geschichte geht es auch darum die Würde der Frau zurückzuholen. Das ist ein Teil der Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern.“
Clara Carus (Center HWPS) führte das Interview mit Dr. Valentina Gaudiano am 25.05.2021.
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