06.02.2025 | 18:00 | Theater Paderborn
Können Maschinen kreativ sein? Oder bleibt das die Domäne des Menschen? Diese und weitere Fragen diskutiert Prof. Dr. Ruth Edith Hagengruber gemeinsam mit Expert:innen in einer Gesprächsrunde mit Axel Berndt, Julia Eckel, Patrick Hübner, Karsten Strack und Jennifer Becker, moderiert von Katharina Künstler.
Weiterführende Informationen: https://www.theater-paderborn.de/h1z3g17mnx
Abstract:
Der Wettstreit, den wir Menschen uns mit der smarten Maschine liefern, entscheidet sich im kreativen Bereich. Es ist dieser Bereich, aus dem wir neues Wissen schöpfen und in dem wir die Erfahrungen von Generationen auf gegenwärtige Herausforderungen anwenden. Mit den Fertigkeiten in der Digitalisierung müssen die Bemühungen verstärkt werden, die kreativen Fähigkeiten der Menschen in gleichem Maße zu entwickeln.Hierzu gehörz auch die Werte und Normenwelt. Wie soll diese Welt aussehen, wohin soll sie sich entwickeln? Das sind die entscheidenden Fragen, die wir zu beantworten haben. Die Werte-Welt ist Teil des kreativen Denkens und nichts ist seit der Erfindung des Computers – wenn wir dazu etwa auch schon die Analytische Maschine des Charles Babbage rechnen – so intensiv diskutiert wie die Frage um das mögliche kreative Potential der Maschinen. Ada Lovelace hat die Kreativität zum entscheidenden Differenzpunkt der Fähigkeiten von Mensch und Maschine bestimmt.Neben der kombinatorischen Kreativität, über die zweifellos die smarte Maschine verfügt, ist die explorative Kreativität jenes Gebiet, in dem die Wertsetzung, Kultur, Geschichte und Bildung eine entscheidende Rolle spielen und immer mehr spielen werden, auch um Ergebnisse und Anwendungen der KI im Hinblick auf ihre Verfahren und Resultate zu überprüfen.
Ruth E. Hagengruber im Science on (2017), über Freiheit, Erziehung zur Technik, und den reproduzierbaren Menschen:
Digitale Technologien übernehmen immer mehr Aufgaben, für die sich die Menschen lange unentbehrlich hielten. Wir setzen alles daran, körperliche Arbeit los zu werden, um uns dann umso ausschließlicher jenen Tätigkeiten zu widmen, von denen die antiken Philosophinnen und Philosophen immer schon behauptet haben, sie seien dem Menschen angemessen: Das Leben in Denken und Muße.
Während der aristotelische Mann/Herr noch über eine stattliche Anzahl Diener verfügen musste, um so von körperlicher Arbeit frei zu werden, scheint dieses Privileg, dank der Maschinen, heute immer mehr Menschen offen zu stehen. Selbst Marx und die auf ihn folgenden Sozialisten forderten die Abschaffung oder Verringerung der Arbeit durch Technik, um den Menschen Freizeit und Zeit für Bildung zu geben. Hannah Arendt schreibt über die körperliche Arbeit im Verborgenen und setzt dieser die Vita activa (d.h. ein Leben, bei dem soziale Aktivität bzw. politisches Engagement im Vordergrund steht) im öffentlichen Raum entgegen. Die Entlastung durch die (intelligente) Maschine erfüllt also durchaus ein philosophisches und soziales Programm. Sie scheint den Weg zu ebnen in eine Zukunft, in der die genuin menschlichen Tätigkeiten, die ehedem als Luxus galten, zur Grundlage unserer Arbeit werden: Tätigkeiten des Geistes, der Fantasie, der Bildung, der Kreativität.
Maschinen werden Berufe überflüssig machen: Wenn ich mich in das selbstfahrende Cab setze, anstatt den Taxifahrer zu rufen, dann ist dies der Fall, und wenn die Post per Drohne kommt, ebenfalls. Das kreative Potential wird sich darauf richten, unter den gegebenen neuen technischen Umständen neue Tätigkeiten und Wirkungsbereiche zu kreieren, so, wie wir mit Facebook und Co. neue Kommunikationsformen geschaffen haben und mit Google neue Wissenswelten. Mit der Veränderung der Arbeitswelt wird auf die Bildungswissenschaften eine enorme Aufgabe zukommen.
Durch Philosophie und Soziologie haben wir in den letzten Jahrzehnten gelernt, anstatt uns als starre, isolierte Einheiten zu sehen, uns als Wesen einer vernetzten Welt zu erkennen. Wir können viele verschiedene Funktionen ausüben, sind in viele Welten eingebettet. Wir begreifen uns als Teil großer Datenmengen, aber auch als Erfinder ihrer Ordnungen. Wie leiden einerseits unter der Komplexität und begrüßen andererseits die hohe Identifizierung, die sie uns ermöglichen. Das hat Vor- und Nachteile. Hier ist Amazon, dort die medizinische Genetik.
Im Rahmen einer Veranstaltung der Deutschen Forschungsgemeinschaft „Wann übernehmen die Maschinen“ habe ich vorgeschlagen, Basiskurse im Programmieren ab der dritten Schulklasse einzuführen. Die Vertrautheit mit dieser heute schon simplen Technik lehrt notwendige Fertigkeiten. Mit diesen digitalen Fertigkeiten müssen genauso die Bemühungen verstärkt werden, die kreativen Fähigkeiten der jungen Menschen in gleichem Maße zu entwickeln.
Genau jene Fertigkeiten, wie sie die Philosophie entwickelt, werden dann wichtig: wie sammeln wir überhaupt Daten? Facebook beispielsweise erstellt auf der Basis von zwei, drei oder vier Profilen ein Muster und überträgt dies von Einzelfällen auf weitere Fälle. Das ist – so würde Platon sagen – ganz schlechte Philosophie, weil Einzelfälle keine Abstraktion auf das Allgemeine erlauben. Das empirische Verfahren, wie es Facebook anwendet, ist philosophisch falsch und führt zu jenen Schlussfolgerungen, die wir Philosophinnen und Philosophen als Missbrauch ansehen.
Die Zukunft der Menschen wird von dem Umstand bestimmt werden, welchen Zweck wir den Maschinen geben. Es sind diese Herausforderungen, mit denen wir Gutes oder Schlechtes bewirken können. Um sie zu meistern, werden wir in bislang unvorhergesehener Weise in Bildung und Kreativität investieren müssen, um unsere Zukunft für den Menschen lebenswert zu gestalten. Dies wird die Zukunft der Arbeit sein und sie wird täglich wichtiger.
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